Für Samstag, den 18.12., ruft das Dortmunder Antifa-Bündnis (DAB) zu einer Demonstration in der Dortmunder Innenstadt auf. Anlass ist der erneute brutale Überfall von Neonazis auf die alternative Kneipe „Hirsch Q“ in der Nacht von letztem Samstag auf Sonntag, bei dem mehrere Gäste verletzt wurden. Die Demonstration beginnt um 16:00 Uhr auf der Katharinenstraße Ecke Kampstraße
Gegen 00:40 Uhr attackierten zehn bis fünfzehn Personen der neonazistischen Kameradschaft „Skinhead Front Dortmund-Dorstfeld“, beziehungsweise aus deren Umfeld, das Lokal und dessen Besucher_innen. Dabei wurde unter anderem die Fensterfront sowie die Eingangstür massiv beschädigt. Im Laufe der Auseinandersetzung wurden mehrere Personen auf beiden Seiten verletzt. Ein Gast erlitt eine Stichverletzung, die im Krankenhaus behandelt werden musste. Einem uns vorliegenden Augenzeugenbericht zufolge, stach beim Eindringen in die Kneipe einer der Neonazis blindwütig auf die Person ein. Darüber hinaus setzen die Neonazis Metallstühle, Barhocker, Flaschen und weitere Gegenstände als Hiebwaffen gegen ihre Opfer ein.
Dank der Gegenwehr der Besucher_innen konnte einer der angreifenden Neonazis vor Ort überwältigt und anschließend der Polizei übergeben werden. In der darauf folgenden Fahndung konnten elf Personen im Alter zwischen 18 und 38 Jahren des rechten Spektrums vorübergehend festgenommen werden. Einigen Neonazis gelang unerkannt die Flucht.
Die alternative Szenekneipe „Hirsch Q“ in Dortmund wurde seit 2006 nun zum sechsten Mal von einer großen Gruppe organisierter Neonazis gezielt, geschlossen und massiv angegriffen. Darüber hinaus gab es seit 2006 unzählige kleinere Übergriffe von lokalen und regionalen Neonazis gegen das Lokal und seine Gäste. Konsequenzen hatten die rechten Angreifer_innen jedoch nur selten zu befürchten. So wurden alle Verfahren gegen die Angreifer_innen des letzten Überfalls auf die „Hirsch Q“ Ende August dieses Jahres eingestellt. Es stellt sich die Frage, ob in Dortmund eine Art Straflosigkeit für Neonazis gilt. Wir fordern die Politiker_innen der Stadt Dortmund auf, sehr genau zu prüfen, wie es dazu kommt, dass dieses Verfahren eingestellt wurde und welche motivierenden Auswirkungen solcherlei Vorgehen auf die lokale Neonaziszene hat.
Es darf nicht sein, dass in Dortmund wieder Menschen durch anhaltenden Naziterror vertrieben werden: Nachdem im letzten Jahr eine Familie aus dem Stadtteil Dorstfeld wegziehen musste, geht es diesmal um die „Hirsch Q“ im Brückstraßenviertel. Nach dem Naziangriff überlegt der Betreiber der “Hirsch Q” seine Kneipe zu schließen, da er es nicht mehr verantworten könne, dass seine Gäste um ihre körperliche Unversehrtheit fürchten müssten. Wir möchten die Demonstration deshalb auch dazu nutzen, die angrenzenden Kneipen und Geschäfte in der Brückstraße dazu aufzufordern, ein deutliches Zeichen der Solidarität mit der “Hirsch Q” zu setzen. Wir schließen uns deshalb der Mahnung an, die an der seit Sonntag geschlossenen Kneipe zu lesen ist: „Muss erst wieder ein Mensch sterben?
Zusätzliche Brisanz gewinnt der Überfall dadurch, dass sich unter den angreifenden Neonazis auch Sven Kahlin, der Mörder des 2005 erstochenen Punkers Thomas „Schmuddel“ Schulz, befand. Kahlin, der nach dem Mord zu sieben Jahren Haft verurteilt worden war, ist vor wenigen Wochen vorzeitig entlassen worden. Seitdem ist er verstärkt in der rechten Szene aktiv und trat als Redner beim Naziaufmarsch am 23. Oktober in Hamm auf. Außerdem nahm er an Nazidemos am 17.10. in Leipzig und am 4.12. in Dortmund teil. Dabei fällt besonders sein gutes Verhältnis zu den Führungskadern der “Autonomen Nationalist_innen” auf.
Kahlin ist zwar sozial in der Skinheadszene beheimatet, genießt aber überdies bei den “Autonomen Nationalisten_innen” eine Art Heldenstatus und wird für seine damalige Tat gefeiert. Schon vor seiner Inhaftierung war Kahlin in der „Skinhead Front Dortmund-Dorstfeld“ aktiv. Zuletzt machte diese Neonazi-Gruppe im Februar 2009 mit ihrer Beteiligung an einem Angriff auf abreisende Gegendemonstrant_innen nach dem Naziaufmarsch in Dresden bundesweit auf sich aufmerksam.
Das Dortmunder Antifa-Bündnis DAB hat zur Entlassung des Mörders Kahlin auf dessen beabsichtigte nahtlose Wiedereingliederung in die Naziszene hingewiesen. Damals zogen 250 Demonstranten vor das sog. “Nationale Zentrum” in der Rheinischen Straße. Wir fühlen uns durch Kahlins Tatbeteiligung an dem neuerlichen Angriff auf die ‘Hirsch-Q’ leider in dieser Annahme bestätigt. Laut einem Pressebericht soll Kahlin ein Messer mit sich geführt haben. Trotz vieler Hinweise darauf, dass Kahlin nach seiner Entlassung wieder in der rechten Szene Fuß fassen und in Erscheinung treten würde, wurde er wegen guter Führung vorzeitig entlassen. Nun hat sich gezeigt, welche juristische Fehlentscheidung dort gefallen ist. Leider erst nachdem Kahlin auf diese Weise in Erscheinung treten konnte.
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